Schnucki Ride it

Im Frühjahr wanderten wir durch die Heide. Für mich zum ersten Mal. Schon damals dachte ich “ Oh jah – hier muss ich mal durchradeln“. Deshalb zögerte ich nicht mit meiner Zusage als der gute Josh (bekannt aus HolyGravel 2019 – Tag 1-3 und der Parallel Challenge) mich fragte, ob ich nicht mit ihm den Heidschnuckenweg abfahren möchte.

Samstags morgen starteten wir bei mir daheim, huschten zur Fähre und setzen nach Finkenwerder über. Dort gab es den ersten Kaffeestop beim örtlichen Bäcker. Nach einem kurzen flachen Stück erreichten wir den Startpunkt des Heischnuckenwegs in Fischbek. Danach folgten viele unglaublich steile Anstiege über Wurzeln und Abfahrten wo man hin und wieder schieben musste oder schon gar nicht den Schwung mitnehmen durfte, da man sonst gegen dicke Wurzeln brettern würde. Fischbeker Heide: super schön, super anspruchsvoll mit dem Rad.

Danach folgte ein Überführungsstück nach Buchholz in der Nordheide. Noch ein Kaffeestop – irgendwie hatte ich schon wieder Hunger.

Nächstes Ziel war dann Handeloh – hier starteten wir damals unsere Wanderung. Somit waren mir die nächsten Kilometer bekannt – viel schneller fühlte es sich per Rad aber nicht an. Viele schmale Trails und viel zickzack ließen nicht unbedingt ein Gefühl von rasender Geschwindigkeit aufkommen. Nach einem dritten Kaffeestop in Undeloh schleiften wir uns doch die Heide. Dieses Stück – bis Schneverdingen ist wirklich super super schön! In Wilsede kreuzte sogar eine große Herde Heischnucken unseren Weg und auf dem Wilseder Berg begrüßte uns ein Regenbogen! Denn mittlerweile zogen immer mal einzelnde Regenwolken auf, die wir aber unter Bäumen abwettern konnten.

Im Dunklen erreichten wir Soltau. Vorbei an einer riesigen Therme landeten wir direkt auf dem Schützenplatz. Bunter Jahrmarkt mit Lichtern, Blinkeln und Bewegung. Komplettes Kontrastprogramm zu den letzten sehr entspannten und einsamen Kilometern. Beim Lidl wurden dann erstmal die Taschen mit Nahrung vollgemacht. Das Pizzageschäft nebenan hat leider nur Außerhausverkauf, dafür ist es aber mittlerweile viel zu kalt. Bei dem nächsten Dönerladen finden wir Unterschlupf.

Die nächsten Meter fahren wir warm eingepackt bis zu einem ca 14 Kilometer entfernten Shelter, das Josh vorher herausgepickt hatte. Es liegt zwar direkt an einer recht viel befahrenden Straße, ist dafür aber groß und bietet ausreichend Schutz gegen den angekündigten nächtlichen Regen. Beim Lager aufschlagen schlägt bei Josh die Döner-Kola komplett an. Wohl auch seine Overnighter-Erfahrung. Ich bin etwas angespannt. Er ist super locker und aufgedreht. Ich atme tief durch und verkrieche mich schnell in den Schlafsack, der auf der dünnen Sitzbank plaziert ist.

Nach einer kalten Nacht, mit immer weniger Autos, dafür viel mehr Regen kocht der Josh erstmal einen leckeren Kaffee und wir snacken unser Lidl-Frühstück. Danach geht es durch Wietzendorf. Am Ortsausgang habe ich dann einen Platten. Also im windigen und kühlen Morgen den Reifen tauschen. Da kann man immer wieder was vom Mechanikerprofi Josh lernen.

Der zweite Tag führt uns in die Südheide. Hier dominieren Abschnite mit Wald oder landwirtschaftlich genutzten Flächen. Nur hin und wieder durchqueren wir mal eine Heidefläche. Anfangs ist es aber nochmal anspruchsvoll. Bei Müden an der Örzte geht der Heidschnuckenweg direkt am Fluss entlang, ist schmal und es gibt super viele Wurzeln. Da machen sich meine tiefliegenden Radtaschen sehr negativ bemerkbar. Immer wieder bleibe ich hängen, es passiert aber nichts Schlimmeres!

Danach durchfahren wir Faßberg. Dort schauen wir uns durch den Zaun eines der Luftbrückendenkmäler an und bei der örtlichen Tankstelle füllen wir unsere Wasserflaschen auf. Der weitere Weg hat ordentlich Höhenmeter im Programm und geht durch sehr sehr unberührte Waldabschnitte. Nach 50 Kilometern sind wir quasi wieder in Müden. Wir haben eine riesige Schleife gemacht, was wir erstmal bei einem entspannten Kaffee an einer Wassertretstelle verarbeiten.

Die beiden folgenden Schlenker sind dann nicht mehr ganz so krass und es geht daraufhin recht direkt nach Celle. So weit so gut. In dieser Region gibt es sehr viele berittene Wanderer, deren Pferde die Wege sehr unangenehm zu fahren machen.

Erschöpft und etwas gehetzt erreichen wir den Bahnhof in Celle. 33,5 Stunden waren wir unterwegs und haben insgesamt 280 Kilometer, sowie 2200 Höhenmeter bewältigt. Mein Zug kommt quasi direkt, kann mich gerade noch mit Reiseverpflegung eindecken und mich herzlich von meiner super Heidschnucken-Begleitung verabschieden. Bin sehr gespannt auf sein Video – die GoPro lief ordentlich heiß!

Schnucki Hike it

Am vergangenen Wochenende wurde der Heidschnuckenweg mit den Wanderschuhen erlaufen. Nur ca eine Stunde und wir waren mit der Bahn in Handeloh. Von dort aus ging es nach Wilsede (27k). Am Sonntag war das Ziel Schneverdingen (16k).

Parallel Challenge

Die aktuellen Pandemiemaßnahmen haben mir die Freude am Radfahren zunächst richtig vermießt. Erst die Absage einer geplanten Bikepacking-Tour im Elbsandsteingebirge, kein Vereinstraining mehr und dann der Ausfall eines geplanten Langstrecken Abenteuers („Wir fordern gerne mal den Teufel heraus“) – all das brachte die Motivation ziemlich zum Erliegen. Warum aufs Rad steigen, wenn ein zünftiges „Legnern“ aufgrund von geschlossenen Cafés und Bäckern nicht möglich ist – alles sinnlos! Die erste längere Tour ging dann zum Nord-Ostsee-Kanal – mit sehr vollen Radtaschen (Riegel, Riegel, Schoki).

Danach ein vorsichtiges Herantasten mit Begleitung. Tracy und ich haben uns mit dem Zelt herausgewagt. Bis auf viel Papierkram beim Campingplatz – keine größeren Einschränkungen.

Dann berichtete mir Harald (Erfinder des gleichnachnamigen Legnerns) von der Apidura Challenge „Parallel in 24 Stunden“. Er und Gesine planten fast 500 Kilometer am Stück zu fahren. Das nahm ich zum Anlass selber ins Grübeln zu kommen. Wo könnte man hinfahren? In circa 24 Stunden? Was ist ca 250 Kilometer von Hamburg entfernt? Dänemark ging ja leider noch nicht. Ziemlich schnell stellte sich da der Harz zur Verfügung: einfach einmal um die Granetalsperre (Goslar).

Um den Plan zu festigen, fragte ich Rike ob sie mich ab Braunschweig einmal in den Harz und zurück begleiten würde. Sie radelt quasi erst seit diesem Frühjahr mit dem Rennrad. Erst kam ein freudiges „Ja“. Kurz darauf dann die Anfrage: „Wäre es OK, wenn ich dann mit nach Hamburg komme? Habe dort am Montag einen Termin.“ Sehr gerne plante ich die Route so durch meine Studienstadt, dass ich sie direkt an ihrem Arbeitsplatz – einem sehr fahrradfreundlichen Café – abholen konnte.

Die Planung war nun recht unspektakulär. Immer mal wieder versuchte ich bei Harald und Gesine ein paar Profi-Tips anzugreifen. Meine Startzeit richtete sich mit 9 Uhr an Rikes Feierabend, eine Regenjacke packte ich ein, Sonnencreme nicht…, und Riegel + zwei Bananen sollten mit auf Reisen gehen.

Ganz kurz vorher fragte ich dann spontan den guten Josh (siehe Holy-Gravel Bericht), ob er nicht Lust hätte mich von Göttingen aus im Harz abzupassen. Hatte er!

So ging es am Samstag um 8.40 Uhr los. Somit etwas früher als geplant. Aber die Aufregung war einfach zu groß. Entspanntes Rollen über die Reeperbahn, dann über die Norderelbe, durch Wilhelmsburg und dann Süderelbe. Alles sehr bekanntes Terrain. Irgendwann ging der Track rechts weg von der Elbe und es ging hinein ins Niederachsen.

Die ersten 100 Kilometer vergingen über ruhige Straßen wie im Fluge. In Unterlüß wurden fleißig Rasenkanten getrimmt und bei der ortsansässigen Tankstelle holte ich mir einen Riegel und ein Kaltgetränk. Am Nachmittag wurde es heißer und heißer. Es wird sich heraustellen, dass ich mit mehr hätte eincremen sollen…
Sonnenstrahlen und Rückenwind drückten mich nur so nach Braunschweig.

Dort war ich dann nach nur 7,5 Stunden. Viel viel schnaller als ich geplant hatte. So hatte ich noch genügend Zeit für einen Klönschnack mit Kumpel Till und die Gastfreundschaft der Kaffee Fabrik zu genießen. Besitzer Michael ist ein großer Fahrradfreund, sodass ich mit Wasser, Filterkaffee und veganem Dürum versorgt wurde. Nach sehr angenehmen 120 Minuten brach ich mit Rike auf. Zunächst hatten wir noch etwa smit Autos zu kämpfen, aber umso weiter wir nach Süden fuhren wurde auch das entspannter.

Treffpunkt mit Josh war DIE Aral-Tankstelle in Goslar. Wir kommen an, kaufen ein paar Dinge ein. Ich schreibe ihm: „Wir sind da“. Er antwortet „Ich bin auch da“ …. Er: „es gibt hier 3 Aral-Tankstellen in Goslar“. Also ein neuer Treffpunkt. Nach herzlicher aber distanzierten Begrüßung geht es in den Harz.

Schnell merke ich, dass ich etwas zu wenig Kohlenhydrate in den vergangenen Stunden aufgenommen habe. Josh freudiges geplapper kann ich so gar nicht mithalten, zudem machen mir diese „Höhenmeter“ echt zu schaffen. Die beiden Harz-Profis loben mich dafür, dass ich ja nicht die ganz krassen Anstiege eingeplant hätte. Verstehe nicht so ganz wovon sie hier sprechen. Die beiden springen freudig in die Anstiege und rufen mir irgendwas zu. Ein Anwohner schaut mitleidig und meint zu mir: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.“

Der Blick über die Odertalsperre (235km, 13h) lässt meine Laune aber deutlich steigen. Nach 245 Kilometern ist dann der südlichste Punkt der Tour erreicht. Es beginnt zu Dämmern und wir machen Fotos von Bikes, Kaffee und uns. Nun geht es wieder hinab. Erst Gravel, dann Singletrail – Josh ist entzückt – ich angespannt. Aber dann sind wir wieder auf Asphalt und es geht mit Schwung in die Nacht – Max Geschwindigkeit: 66 km/h.

Bei kompletter Dunkelheit erreichen wir die Innerste-Talsperre. Schnell merken wir, dass die Straße dort gesperrt ist. Da hilft auch nicht das übersteigen der 2 von 3 Absperrungen. Also kurzes Umplanen – und schon sind wir wieder raus aus dem Harz.

Ich hatte vorher geschaut wo es auf dem Weg 24h Tankstellen geben würde. Hatte nicht viel gefunden. Jetzt kamen wir an einigen vorbei… Bei einer der Ersten machen wir noch mal rast. Dann ging es ewig durch Salzgitter, dann durch Peine (325 km, 17h). Mit uns unterwegs waren eigentlich nur ein paar Halbstarke auf Rollern oder coolen karren – oder halt Polizeistreifen.

Nun kamen die dunkelsten Stunden. Man sah nichts außer das Vorderrad im Scheinwerferlicht. Sonst war es echt ziemlich dunkel. Erst kurz vor 4 Uhr sah man ein leichter dämmern. Nach einem Halt in einer beleuchtetn Bushaltestelle in Wachliegen (19h, 355km) wurde es merklich hell.

Durch das verschlafene Celle und Bergen – weiter durch Niedersachen. Das sitzen wurde immer beschwehrlicher. Die ersten Gedanken übers Aufhöhren hatte ich schon im Harz – bei den Anstiegen. Nun war es mir nicht wirklich möglich lange im Sattel zu bleiben. Wenn ich vorne im Wind fuhr, versuchte ich mir vorzunehmen mindestens 5 Minuten durchzuhalten, aber Josh und Rike hatten schnell Mitleid und übernahmen wider die Spitze. So ging es weiter bis Bissigen – in der Zwischenzeit ruhten wir uns zweimal aus – legten uns einfach an den Straßenrand und ruhten. Einfach nur liegen!

In Bispingen (22,5h, 425km) entdeckte Rike einen Bäcker. Dort saßen wir in der Sonne und genossen den guten Service sowie das megakrasse Schuko-Croissant! Besonders schön waren die Fragen der Brötchenhoher: „Wo kommt ihr denn her? Wo wollt ihr hin?“ Gar nicht so einfach. „Aus Hamburg“ – „Nach Hamburg“

Mit einem richtigen Zuckerschub ging es nun wieder auf die Straße. Die Stimmung war so richtig gut. Wir jagten nur so in Richtung Norden. Bei einer kleinen Pause (Josh musste seinen Bordcomputer neu starten) legte ich mich auf den Asphalt. Merkte schnell, dass ich quasi auf der Fahrbahn lag. Rollte mich einfach aufs Grün. Nach kurzer Zeit ging auf der anderen Straßenseite ein Fenster auf, ob alles ok sei? Ob man einen Krankenwagen rufen müsse? Wir konnten die Lage auflösen und bedankten uns für die Sorge – wir seien einfach nur total fertig.

Nun nur noch über die Harburger Berge und ich konnte den Weg ohne Navi ansagen. In Harburg (26h, 476km) setzten wir nach kurzer Verabschiedung den Josh in die Bahn zurück nach Göttingen. Eigentlich wollte er ja nur im harz mit uns fahren. Aber Rike und ich waren super froh, dass er sich spontan umentschied. Ohne seine starken Beine wären wir nicht zurück nach Hamburg gekommen!

Zu zweit dann über die schöne Harburger Elbbrücke, durch Wilhelmsburg – Rike meine Pendelstrecke zeigen- und durch den Alten Elbtunnel. Nach dem letzten Anstieg auf den Elbhang stoppte ich meinen Garmin bei 492 Kilometern nach fast 27 verstrichenen Stunden. Nur doch das Rad in den 4. Stock tragen und sofort auf den Dielenboden im Wohnzimmer legen.

Erst nach einigen Minuten liegen und einer Dusche bin ich für das Frühstück mit RIke und Tracy bereit. Den Rest des Tages: Schlafen, Abends ins Restaurant. Dort einen frischen Salat (endlich mal was ohne Zucker) und eine gehaltvolle Pasta.

Holy Gravel – Die dritte Etappe

Der Wecker klingelt wieder um 6 Uhr. Da bin ich mindestens schon 30 Minuten wach. Ich muss unheimlich dringend für kleine Bikepacker – will aber nicht aus dem warmen Schlafsack. Lohnt sich doch gar nicht. Ich spiele sogar mit dem Gedanken Josh zu wecken, damit wir aufbrechen können. Der Unruhig-Tobi ist also auch schon wach. Mit tiefen zen-mäßigen Achtsamkeitsatmungen schaffe ich es aber stillzuhalten. Was tut man nicht alles für so einen Partner in Crime!

Beim Klingeln schäle ich mich prompt aus dem Schlafsack und schlüpfe in meine kurze Thermal-Radhose und ziehe die Beinlinge an. Über den Merino-Baselayer, den ich die komplette Tour nicht ausziehen werde, kommt mein schickes kupferfarbenes Merino-Langarmtrikot: Das Auge fährt schließlich mit.

Die Umgebung, ein riesiger Rasenplatz, Autohöher-Parkplatz und die dänische Schule sind menschenleer. So können wir die Wurstbude bequem ausleuchten und unsere Sachen in die Bikepacking-Taschen stopfen.

Unser erstes Ziel ist der nördlichste Punkt des Holy Gravel – Fleckeby – dort gibt es eine Tankstelle. Und was das für eine ist – uns fallen die Augen aus, als wir dort ankommen. Dort gibt es einen Tisch mit Stühlen, Strom und bevor wir uns setzen fragt uns die freundliche Angestellte, ob wir denn schon mal was wünschten: „Jeder einen Kaffee“ kommt die direkte Antwort. Wir setzen uns ein Aufenthaltslimit von 30 Minuten.

Nach zwei Franzbrötchen geht es hoch motiviert weiter. Dass es ab Mittag viel regnen soll ist uns ziemlich egal. Wir haben das Ziel fest vor Augen und sind uns sicher, dass wir es heute schaffen werden. Doch es soll leider teilweise anders kommen.

Nach ca. 20 Kilometern wollen wir in den Brekendorfer Forst einbiegen – da raunt mir Josh gepresst zu „Schau mal da rechts!“. Dort steht ein stattlicher Hirsch im Nieselregennebel auf einem Acker, läuft auf den Waldweg – keine 20 m genau vor uns und verschwindet dann im Unterholz. Das war dann aber auch das Schönste, was dieser und der nächste Forst für uns zu bieten hat. Denn ab jetzt geht es in kleinsten Schleifen durch Wald mit ordentlich hoch und runter. Es nieselt die ganze Zeit und der Boden ist sehr weich – Schlamm überall.

Als wir ein recht nobles Hotel erreichen hat Josh seinen dritten Platten der Tour. Damit ist er unglücklicher Gewinner des goldenen Schlauchs! Herzlichen Glückwunsch nochmal an dieser Stelle. Das Gute: Hier gibt es eine öffentliche Toilette. Sie ist angenehm warm, so dass ich mir viel viel Zeit beim Händewaschen lasse.

Nach 10 Kilometer verlassen wir diese zwei aneinander grenzenden Forstgebiete. 10 Kilometer. 80 Minuten haben wir für diese 10 Kilometer benötigt, inklusive Panne.

Nach 40 Kilometern erreichen wir den Nord-Ostsee-Kanal. Endlich einfach mal rollen und versuchen die Knie zu entspannen. Die schmerzen mittlerweile doch recht intensiv – zeitweise konnte ich gar nicht mehr im Stehen fahren. Hier rächt sich meine ungeeignete Übersetzung für höhenmeterreiche Langstreckenfahrten. Aber auch der Kanal hat eine mentale Herausforderung für uns parat: Es geht nämlich 23 Kilometer wieder nach Osten – Richtung Kiel. Abbiegen tuen wir erst an der Kanalfähre Landwehr – hier ist der zweite offizielle Fotospot, wo die Veranstalter sich eine Fotografie von uns erbeten haben.

Jetzt geht alles ganz schnell. Für mich. Bereits in diesem endlos Forst musste ich meine Scheibenbremsen nachjustieren, das sie nicht mehr richtig fassten. 10 Kilometer hinter der Fähre muss ich, anstatt scharf rechts abzubiegen, geradeaus weiterrollen und komme erst nach etlichen Metern zum stehen. Dabei wird mir schmerzlich klar, dass dies mein Ende ist. Ohne Bremsen die letzten 180 Kilometer zu fahren wäre absolut unverantwortlich.

Josh und ich umarmen uns. Und ich wünsche ihm eine gute Weiterfahrt – er mir ein gutes Heimkommen. Das geht dann erschreckend schnell. Wir sind bis Felde gekommen. Hier bin ich in nicht einmal 10 Minuten am Bahnhof, wo direkt die Sonne herauskommt als ich mein Fahrrad parke. Danke Ironie! Ins Gesicht…

Der Zug bringt mich 15 Minuten später nach Rendsburg, wo ich mir ein alkoholfreies Bier und eine Wochenzeitung (werde ich dann eh nicht lesen) kaufe. Kurz darauf sitze ich im RE nach Hamburg. Im Kinderabteil. Nur mit Ohropax ertrage ich hier den Geräuschpegel. Auch darauf in der S-Bahn sind die Menschen mir viel zu laut und sowieso. Ich komme gerade aus dem Wald, aus der ruhigen und etwas öden Mitte Schleswig-Holsteins und sitze so unvermittelt im Trubel der Großstadt – da komme ich einfach nicht hinterher.

Danken möchte ich erstmal Bernd und seinem Team für diesen tollen Track – für das Auskundschaften und die ganze Orga! Dann allen lieben Menschen, die unsere Dots verfolgt haben und liebe Nachrichten und Anfeuerungen geschickt haben! Allen Holygravellern für die netten Gespräche während des Pedalierens und dann natürlich meinem Duo Partner für 400 gemeinsame Kilometer!

Alles in Allem eine tolle Erfahrung. Und es stimmt mich positiv zu sehen, dass ich in diesem Jahr viel an Erfahrung gewonnen habe und ziemich gut vorbereitet war. Nächstes Mal ein paar mehr Ersatzteile und eine warme Wechseljacke für die Pausen! Die nächsten Touren schwirren schon durch meinen Fahrradkeller!

Holy Gravel – Der zweite Tag

Tag 1 noch nicht gelesen? Dann hier entlang!

Nach einer etwas unentspannten Nacht klingelte der Wecker um 6 Uhr. Josh kam herübergetapert und wir stimmten uns kurz ab: „Mach ganz entspannt – dann gucken wir nach Olaf“. So packte ich meinen warmen Daunenschlafsack und den Biwacksack ein, rollte die Luftmatte zusammen und verstaute alles in meinen Ortlieb Gravel-Packs (Die quietschen leider recht stark bei rütteligen Passagen, aber das Ein- und Auspackprozedere ist mit ihnen super easy).
Olaf lag da noch eingemummelt in seinem deluxe Biwack. Deshalb machten wir uns als Duo – so sollte es dann auch bis zu meinem Ausstieg (Tag 3) bleiben – auf den Weg zum ersten Tagesziel: Der Mole von Puttgarden. Die Strecke dort hin war teilweise technisch anspruchsvoll (einmal stürzte ich sogar leicht, aber nix passiert), aber der Rückenwind tat mal so richtig gut. Vor allem eine „berg“ab-Passage war uns eine Freude. Auf der Mole wurde ich dann in die hohe Kunst der Fahrrad-Fotografie eingewiesen „Immer die Tretlagerseite des Fahrrads nach vorne fürs Foto!“

Die nächsten 25 Kilometer waren dann feiner Gravel auf dem „Regionaldeich“, oder ganz schlecht rollender Grasuntergrund und gar eine Dünenpassage, die eher an BMX fahren erinnerte, geprägt. Der sehr starke Gegenwind lies das Verlassen von Fehmarn so gar nicht schwer fallen. Kurz vor der Brücke scherzten wir noch, dass es lustig wäre, wenn wir andere HolyGravellers auf der Brücke träfen. Es waren dann gleich drei! Erst plauschten wir kurz mit Carola und Ole. Hinter dem letzten Brückenpfeiler „schwärmten“ wir dann Emma vom Wind auf der Insel vor.

Nach 70 Kilometer waren wir dann wieder dort, wo wir tags zuvor auch schon einkehrten: Aral-Tankstelle in Großenbrode. Hier fanden wir dann auch den Michael, mit dem wir auf dem Campingplatz genächtigt hatten – er brauchte aber etwas weniger Schlaf als wir.

Josh in SEINER Tanke

Nun geht es nach Osten. Das nächste Ziel ist meine Heimatstadt Kiel. Zunächst geht es dafür durch Heiligenhafen und Weißenhäuser Strand. So „Kurorte“ halt. Bei der Durchfahrt von Oldenburg werden wir den letzten HolyGraveller für den Rest meiner Tour sehen. Im nächsten Ort, Lütjenburg, schickt uns der Track weg vom gut rollenden Landstraßen-Radweg, bergauf zum Marktplatz und dann beim Ortsausgang wieder auf den Radweg. Solche Schleifen sind immer wieder eine der großen mentalen Herausforderungen dieser Tour. So richtig lange können wir das Dahinrollen jedoch nicht genießen. Denn es geht rechts ab auf einen Grasweg (Geschwindigkeit also gleich 0) und dann hinauf auf den Stretzerberg, den wir zwischenzeitlich hinaufschieben müssen. Hinab müssen wir verbotenes tun, um dem Track weiter folgen zu können. Eigentlich ist der nächste Wald-Abschnitt gesperrt. Aber Verbote übersieht man auf dieser Tour geflissentlich – man macht ja nicht wirklich was kaputt und vermeidet es eh tunlichst!

Durch verschlungene Wege geht es weiter. Bei einer super schönen schnellen Berbabpassage übertreibe ich es ein wenig und hole mir einen Durchschlag im Vorderreifen. Also Ersatzschlauch einspannen und pumpen.

Nach 140 Kilometern erreichen wir bei einsetzendem Nieselregen den Dobersdorfer See. Somit betreten wir mir sehr gut bekanntes Terrain. In dieser Region bin ich aufgewachsen. In dem See waren wir oft baden, auf dem Campingplatz waren wir mal für ein Wochenende. Dann rasen wir den Lustbarg hinunter (War damals meine 10k-Laufrunde, mit 15/16 oder so), dann quasi am Haus vorbei hinunter an die Schwentine, wo ich paddeln gelernt habe – auf DER weißen Brücke muss Josh ein Foto von mir machen. Um jetzt in die Kieler Innenstadt zu gelangen, brauchen wir kein Navi mehr. Dort kommen wir nach insgesamt 405 Kilomern bei einem Café an. Aufwärmen und die nächsten Optionen checken ist angesagt. Mittlerweile hat es sich gut eingeregnet.

#weissebrücke

Wir bestellen erstmal Kaffee, Muffin und Suppe – laden unsere elektronischen Geräte – versuchen unsere Sachen zum Trocknen auszubreiten.
Schon auf den Kilometern vor Kiel begannen die Diskussionen über den weiteren Plan. Bestimmender Faktor dabei war der angesagte Regen – viel Regen – für lange Zeit. Nachdem unsere Recherche ergeben hatte, dass in Eckernförde noch bis spät Züge nach Hamburg fahren würden, entschieden wir uns für das Weiterfahren. Komplett in Regenmontur eingehüllt ging es weiter. Leider war die Pause nicht lang genug für meine Frontlampe – sie zeigte sofort wieder einen niedrigen Ladestatus an, sodass Josh die meiste Zeit den Weg nach Eckernförde ausleuchten sollte… Der Nabendynamo ist bereits bestellt!

Nachdem wir nach einer erneuten frustrierenden Route die Holtenauer Hochbrücke überquert hatten, ging es durch dunkle laubbedeckte Waldpassagen nach Schilksee – dann weiter zum Leuchtturm Bülk.

Holtenauer Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal

Zwei Stunden später rollten wir am Ortschild von Eckernförde vorbei. In dieser Zeit regnete es durchgängig, wir bekamen Hunger und wichen das erste Mal absichtlich vom Track (5 Kilometer) ab. Hier in der Ostseestadt lag das zweite große Ziel von meinem Parnter in Crime: Der McDonalds direkt am Track. Dieser hatte leider keine Steckdosen für uns und auch die Heizung war wohl aus. Die abfälligen Blicke mancher Gäste ware da auch schon egal. Irgendwann wurde ich ziemlich unruhig und wollte weiter. Josh, in seiner warmen Puffer-Jacke, war aber noch ganz entspannt. Dieses Utensil viel mir schon bei vielen beim Start auf. Eine Jacke für die Off-Bike-Zeit. Ich wusste sofort, dass ich sowas auch hätte einpacken sollen – notiert fürs nächste Mal!

Das „Essen“ hatte uns so weit motiviert doch noch nicht in den Zug zu steigen. Es hatte aufgehört zu regnen und am nächsten Tag sollte es zwar regnen aber deutlich wärmer werden. Also checkten wir mit google und openstreetmap die Umgebung nach möglichen Schlafspots ab – mehrere Alternativen taten sich da auf.

Füße hoch auf der Mecces Couch

Zunächst versuchten wir es bei einer dänischen Schule. Dort fanden wir aber nur eine absolute Notlösung: Einen hellbeleuchteten Fahrradunterstand. Nebenan war ein Sportplatz eines dänischen Fußballvereins. Deren Wurstverkaufsbude sah ganz gut aus. Zur Sicherheit schauten wir noch etwas weiter. Aber an die Wurstbude kam nichts heran.

Also Fahrräder nach 207 Tageskilometern (Insgesamt 457k) abstellen und Nachtlager einrichten.

HolyGravel 2019 – Tag 1

Nach dem HanseGravel im Frühjahr wollte ich das Bikepacking-Jahr gebührend abschließen, sodass ich mich frühzeitig bei dem neu ausgerufenen HolyGravel anmeldete. Bei diesem privat organisierten Event bestand die Auswahl zwischen einer 555 kilometer oder einer 696 kilometer-Runde durch halb Schleswig-Holstein. Mein Ehrgeiz plädierte dann für die lange Runde, die eine Umrundung von Fehmarn vorsah.

Im Vorfeld besorgte ich mir dann noch eine etwas voluminösere Rahmentasche, sodass mein Lenker weniger Geraffel zu tragen hatte. Hätte mal lieber in vernünftigeres Licht investieren sollen. Dazu aber dann bei Tag 2…

Start war am 31. Oktober 2019 um 7.30 Uhr am Ponton-Café Entenwerder1 in Hamburg – dort startete auch der HanseGravel! Für die Anreise benutzte ich dann dekadent die S-Bahn (wurde sogar kontrolliert). Die lieben Organisatoren schenkten einen kleinen Schnaps aus und sprachen 2-3 wärmende Worte zu uns. Dann ging es auf die Strecke.

Ohne Begleitung rollte ich auf den Ausschläger Deich und Richtung Osten. Hinter dem Gefängnis sprach mich dann eine Radlerin an, die Norwegen-Überschuhe trug: „Ist das schön hier“. Und wie! Minus 4 Grad, die Sonne geht auf, alles ist in Nebel gehüllt – was für eine tolle Stimmung. Ich konnte nicht an mich halten und musste ihr unter die Nase reiben, dass dies meine tägliche Pendelstrecke sei…

Weiter ging es mit hohem Tempo durch Bergedorf. In Reinbek nutzte ich dann ein Pinkelpause um endlich abreißen zu lassen – das Tempo war viel zu hoch für mich. Allein rollte ich durch Aumühle und ab da kannte ich die Umgebung nicht mehr wirklich. Irgendwo durch den Sachsenwald ging es an sehr schönen Seen irgendwie nach Mölln. In der Zwischenzeit hatte ich mich an dem Hinterrad der Gravelerin mit den Norwegenschuhen geklemmt. „Weißt du wie der See hier hieß?“ – „Nein, ich auch nicht“ – „aber super schön hier“. (Anm. d. Redaktion: Drüsener und Lüttauer See)

Nach fast 100 Kilometern erreichten wir Ratzeburg. Bei herrlichstem Sonnenschein gab es eine erste Pause. In meinen Gedanken feierte ich mich für meine Vorraussicht beim morgendlichen Warten auf die S-Bahn Laugengebäck-Verpflegung eingekauft zu haben. Hier am Küchensee gesellte sich ein junger und sehr holyresker Graveller zu uns, der soeben seinen ersten Platten hatte. Schickes, sportliches Trek-Bike und fröhliche Ausstrahlung!
Nach einem Blick auf den Tracker wurde uns klar, dass wir ziemlich weit vorne im Feld waren. Bei dem Tempo das die NorwegenÜberschuhDame anschlug aber auch kein Wunder. Jetzt nach vielen gemeinsamen Kilometern stellten sie sich vor: „Hey, ich bin Britta – wie heißt du?“ Über ihr Radel-Leben wusste ich zu diesem Zeitpunkt schon weitaus mehr – Namen? Nicht so wichtig.

Beim Verlassen von Ratzeburg stand auf einmal Harald vor uns, der den soeben gestürzten Benny ausgesammelt hatte (Gute Besserung an dieser Stelle). Ganz Harald hatte er sein Ding gemacht und hier und da vielleicht den ein oder anderen See ausgelassen – der Fux <3

Am Ratzeburger See entlang – erkannte ich meinen liebsten Papa, der meinen Dot verfolgt hatte und mir entgegen gefahren war. Was für eine coole Aktion – insgeheim war ich auch etwas froh mein Duo ziehen lassen zu können – das Tempo war wirklich fix. Nach ein paar schönen Vater-Sohn-Kilometern ließ er mich wieder ziehen – er spürte wohl, dass ich gerade auf meiner eigenen Welle pedalierte. So holte ich das Duo kurz vor Lübeck wieder ein – der schnelle Junge hatte seinen zweiten Platten…

Nach einer kurzen Pause in Lübeck (natürlich in einer Tanke. Hatte ich meinen bestellten Kaffee einfach nur nicht bekommen oder gar nicht bestellt? Beim Losrollen war ich mir da gar nicht mehr sicher – naja – egal) ging es in endlosen Schleifen, hoch und runter, Richtung Norden. Zwischenzeitlich wurde es ganze 10 Grad warm und man konnte mal eine Schicht ablegen. Doch um 17 Uhr ging die Sonne schon unter – noch schnell ein schönes Foto am Pönitzer See und weiter ging es. Abendbrot gab es im McDonalds in Neustadt i.H. – ein Spot, den viele angefahren haben: Strom, Wärme und Essen. Macht es nicht gaaanz so schlimm konsum- und fleischkritische Stimmen in meinem Kopf verstummen zu lassen.
Hier trennten sich dann die Wege von Britta – sie plante die kurze aber wohl landschaftlich schönere Runde. Sehr schade – sie war mir mit ihrer fröhlichen Art ans Herz gewachsen.

Dennoch ging es jetzt zu Dritt am Wasser weiter. Inzwischen hatte ich Britta gefragt wie der schnelle Graveler heißt: „Josh“. Und Olaf schloss sich uns an – Ein Braunschweiger, der an der Uni arbeitet, wo ich studiert habe – Road Magic!
Die Ostsee begrüßte uns mit unheimlich warmen Temperaturen. Das Thermometer kletterte auf 5 Grad und lies unsere Stimmung ins euphorische gleiten. Wir rauschten über mit viel Geld gestaltete Promenaden und über leere Küstenpfade – was für ein Spaß! Nur ein riesiger Acker ließ uns fast verzweifeln (Hätten wir mal umfahren sollen).

Nach 225 Kilometern erreichten wir dann DAS Tagesziel von Josh kurz vor Ladenschluss: Die Aral-Tankstelle in Großenbrode. Der Tankwart zwitscherte uns fröhlich über seine Fahrräder zu, wir hörten kaum zu, genossen nur die Wärme und das Essen. Vorrausschauend kauften wir auch schon was für das Frühstück ein – nach meinen Recherchen würden wir auf der Insel nichts Essbares kaufen können.

In kompletter Dunkelheit unter einem tollen Sternenhimmel rollten wir über den Kleiderbügel auf die Insel. Dort hatten wir uns mit einem vierten Bikepacker auf einem eingemotteten Campingplatz verabredet. Nach 240 Kilometern legten wir uns windgeschützt in den Hauseingang des Sanitärhauses. Die Nacht war mit 7 Grad warm aber mein Schlaf nur so mittelgut – das lag nicht unbedingt an den Radlern, die nachts um 2 Uhr an uns vorbeikamen – sondern vielmehr an den müdegeradelten Beinen und an der ungewohnten Schlafsituation… Macht man dann doch nicht jeden Tag. Gefühlt schaute ich alle zwei Stunden auf die Uhr – noch nicht 6 Uhr.

weiter zu Tag 2

Pellworm 100

Pellworm stand schon etwas länger auf der Bucket List nachdem wir Ostern dann doch die Fähre nach Amrum genommen haben. Da traf es sich sehr gut, dass die Critical Rider Association ein Rundstrecken-Event verkündete. Vier Runden. Pro Runde einen Stempel. Insgesamt 100 Kilometer.

Hansegravel // Tag 3

Morgens um 6 Uhr tragen wir unsere bepackten Räder aus der Pension. In Regenklamotten rollen wir zum Bäcker. Dort gibt es Kaffee und Nussecken – während wir uns die Samstagsfrühaufsteher*innen anschauen.

Gut gestärkt geht es dann entlang der Ryk nach Wiek. Letzten Sommer bin ich hier noch mit Tringa entlanggeschippert. Gleich mehrmals mussten wir (aufgrund eines gerissenen Segels) durch die hübsche manuell zu öffnende Klappbrücke in Wiek. Ab der Klappbrücke, die wir leider nicht überfahren müssen, geht es dann ohne Regen an der Klosterruine Eldena auf Asphalt weiter.

Nach zwei Stunden erreichen wir Wollgast. Auch hier waren wir mit Tringa im letzjährigen Segelsommer. Hier kann ich Aaron von einer unschönen Begegnung mit einem Kriegsschiff, dass dort für Saudis auf Probefahrt durch die blaue Klappenbrücke rauschte… Jetzt wurden wir etwas versöhnt – eine ältere Dame wünschte uns etwas perplex „noch einen schönen Urlaub“.

Auf Usedom wurde es mir deutlich zu kalt. Die Regensachen sind mittlerweile weggepackt, aber die Beinline müssen nun an die Beine. Es windet recht ordentlich und es ist grau grau grau.

Am 50. Tageskilometer erreichen wir die offene Ostsee. Nun geht es lange lange gerade aus. Was wir vorher nicht wussten: Usedom ist ziemlich hügelig. Und es ist ein großes Wanderevent im Gange. Knapp 400 Teilnehmende wandern insgesamt 50 Kilometer auf der Insel – und so ziemlich alle müssen wir überholen. Mit freundlichem Rufen versuchen wir möglichst Kollisionsarm zu überholen.

In Ahlbeck (80 Kilometer) geht es dann ins Binnenland der Insel. Hier warten nochmal richtige Steigungen auf uns. Ziemlich einsam kurbeln wir uns hoch und rauschen durch Laubwald (immerhin Asphalt) wieder hinunter. Erst als wir die Stadt Usedom auf der gleichnamigen Insel erreichen erblicken wir die ersten Hansegravelers des Tages.

Nachdem wir uns entlang des Boddens geruckelt haben, treffen wir den Münsteraner und seinen Gespannpartner (ein sehr schönes schwarzes Sofa Rad) wieder. Die beiden kommen wie gerufen, motivieren sie uns doch nach nun guten 100 Kilometern wieder ordentlich in die Pedale zu treten, sodass wir gemeinsam die Hansestadt Anklam erreichen.

In Anklam werden wir von einem gut gefüllten Marktplatz empfangen. Immer mehr polnische Radgruppen erreichen den Marktplatz. Das Problem dabei für uns: Sie kapern den kleinen Italiener, den wir uns eigentlich für unsere Kalorienaufnahme ausgeguckt hatten. Die Besitzer reagieren auf den Anstrum so dermaßen unfreundlich, dass wir lieber Pommes zwei Straßen weiter essen.

Hier kommt ein uns gut bekannter Hansegravelers in den Imbiss: Der Regen-Graveler. Nachdem wir die megasüße Fanta ausgetrunken haben, folgen wir ihm aus Anklam heraus. Hier geht es durch superplattes Land auf löchrigen Plattenwegen. Links und rechts ist immer mal wieder Weide, Wasser und Bäumchen – auch Vögel gibt es einiges zu beobachten.

Ueckermünde erreichen wir nach 170 Kilometern. Unser Münster-Gespann grüßen wir freundlich und halten dann nach wenigen Metern bei einem Fischbrötchenkutter. Jugendliche Drum&Bass Tanzende versüßen uns das dieses Mahl, welches uns nochmal richtig Energie gab! Nun rauschten wir über viel Asphalt Richtung polnische Grenze. Diese Ecke scheint bei Radurlaubern sehr beliebt zu sein. Viele Bett&Bike Angebote, sowie sehr guter asphaltierter Bodenbelag.

Nach dem einzigen Platten dieser Tour ging es dann durch Blankensee mit dem Münsteraner und seinem Kumpel. Kurz dahinter erreichten wir gemeinsam bei untergehender Sonne die deutschpolnische Grenze. Wir machten gegenseitig die obligatorischen Fotos und rollten dann zu zweit durchs dunkle Polen. Frank und Ollie (endlich hatten wir mal Namen ausgetauscht) wollten auf deutscher Seite einen Campingplatz aufsuchen.

Erst noch auf Autostraßen, später dann durch einen Park, radelten wir nach Stettin hinein. Nach dem Umkurven einer Großbaustelle erreichten wir die Innenstadt. Hier erkannte ich gleich ein paar Dinge aus meiner Riga-Tour (alleine von Braunschweig bis Riga vor ein paar Jahren) wieder.

Nach 235 Kilometern umarmten Aaron und ich uns herzlich. Dann schoben wir unsere Räder in die Lobby des Novohotels. Hier setzten wir uns zu zwei Hansegravelern, die ziemlich viel zu erzählen hatten. Wir waren deutlich überfordert mit allem. Mit dem erreichen des Ziels, mit der Umgebung und mit den beiden lustigen und mitteilungsfreudigen Hansegravellern. Erst mit einem Burger und einem kleinen Zielbier tauten wir auf – konnten bei den Gesprächen mithalten.

Schon vorher diskutierten wir ob wir im Hotel bleiben wollten oder doch lieber draußen schlafen wollten. Da wir immerhin so viel Kram füs Übernachten mitgeschleppt hatten und es ja aber erst einmal benutzt hatten, einigten wir uns darauf uns doch nochmal auf das Rad zu setzen.

Also kurbelten wir über leere und recht dunkle Straßen sowie Radwege, die mal sehr gut ausgebaut waren und manchmal abrupt endeten. Nach 17:30 Stunden verließen wir dann Polen wieder. Einen hübschen Berg hinunter zur Oder und dann entlang eines Radweges nach Gartz (Oder). Dort halten wir die Augen offen nach einer ansprechenden Übernachtungsmöglichkeit. Wir fahren mittlerweile sehr langsam und uns wird dadurch recht kalt. Ich durchsuche meine Kartenapps und finde einen Aussichtsturm, der in Betracht kommt. Er liegt am Ortsausgang und ist somit unsere „letzte Chance“.

Nach 268 Kilometern fast ununterbrochen im Sattel erreichen wir einen zweistöckigen Kranich-Aussichtsturm. Schnell bauen wir unser Nachtlager und sind ziemlich schnell eingeschlafen.